Fresh Widow. Fenster-Bilder seit Matisse und Duchamp

31.3. – 12.8.2012

  • Installationsansicht der Ausstellung im K20, Foto: Achim Kukulies

Seit Jahrhunderten gehört das Fenster zu den besonders beliebten Motiven der Kunst. Bilder vom „Zimmer mit Aussicht”, in dem das Fenster die Schwelle zwischen Innen- und Außenraum markiert, dienen dabei seit jeher auch der Reflexion über das Medium Malerei selbst. Die Beobachtung, dass der Blick auf ein Bild dem durch ein offenes Fenster gleiche, schrieb der Renaissance-Gelehrte Leon Battista Alberti bereits 1435 in seiner Abhandlung über die Malerei nieder.

Er schuf damit eine Metapher, die Jahrhunderte lang die Vorstellung von einem Bild prägte, das durch die Regeln der Zentralperspektive organisiert ist und – wie das Fenster – einen Ausschnitt, den Teil eines Ganzen sichtbar macht. Zwar blieb das Fenster auch im 20. Jahrhundert ein beliebtes Bildmotiv, immer häufiger aber wurde es isoliert gezeigt, ohne Bindung an eine Architektur, ohne Ausblick in eine Landschaft, ohne sehnsüchtig in die Ferne schauende Rückenfigur. Robert Delaunay, Henri Matisse und Josef Albers erprobten in ihren Fenster-Bildern eine Malerei, die nicht mehr allein dem Abbilden von Wirklichkeit verpflichtet ist, sondern die Flächigkeit des Bildträgers betont und sich auf Farbe, Linie und Form sowie deren Interaktion konzentriert.

Mit dem verkleinerten Nachbau eines französischen Fensters, dessen Scheiben mit schwarzem Leder abgeklebt und damit undurchsichtig sind, markierte Marcel Duchamp 1920 so lakonisch wie eindringlich diesen Abschied: „Fresh Widow” verkündet mit seinem sprachspielerisch auf „French Window” bezogenen Titel programmatisch den Verlust des Ausblicks und öffnet den Weg zu Neuem. Das Fenster erblindet oder – wie in den Bildern von René Magritte – zerspringt sogar. Immer häufiger verweigert es fortan den Blick auf die Welt, um einer neuen Bildwirklichkeit Raum zu geben.

Seit 1950 konzentrierten sich auch Künstler wie Ellsworth Kelly, Eva Hesse, Robert Motherwell, Gerhard Richter, Christo, Isa Genzken, Brice Marden, Günther Förg, Toba Khedoori, Jeff Wall, Sabine Hornig, Olafur Eliasson und Jochem Hendricks in Phasen intensiver Arbeit und ausgehend vom Motiv des Fensters auf grundlegende Fragestellungen und Phänomene: auf die reduzierte Form des Fensters und seine formale Ähnlichkeit mit dem Raster und der gerahmten Bildtafel; auf die Rahmung und damit das Lenken des Blicks; auf Transparenz und Spiegelung, Licht und Schatten; auf das Verschleifen von Öffnung und Fläche und schließlich auf die Befreiung von jeder Materialität.

Die 100 Gemälde, Zeichnungen, Objekte, Skulpturen, Fotografien und Projektionen in der Ausstellung „Fresh Widow. Fenster-Bilder seit Matisse und Duchamp” stehen stellvertretend für die verblüffende Vielfalt und Verschiedenartigkeit der von 1912 bis heute entstandenen „Bild"-Entwürfe. Eindrucksvoll dokumentieren sie, wie die Künstler die neue Freiheit zu nutzen wussten.