Kandinsky, Malewitsch, Mondrian – Der weiße Abgrund Unendlichkeit

5.4. – 6.7.2014 (Quadriennale Düsseldorf)

  • Installationsansicht der Ausstellung im K20, Foto: Achim Kukulies

Mit „Kandinsky, Malewitsch Mondrian – Der weiße Abgrund Unendlichkeit“ greift die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen das vielschichtige Thema der weißen Flächen in den Werken von Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian auf. Für die Avantgarde-Pioniere war Weiß nicht nur ein Element ihrer Farbpalette – es war Symbol für eine zukünftige Welt.

„Der weiße, freie Abgrund, die Unendlichkeit liegt vor uns“ hatte Kasimir Malewitsch 1919 formuliert und damit eine Metapher gebildet, die wegweisend wurde für seine Kunst. Das weiße Feld als Leere und Nichts ist der monochrome Grund, vor dem seine geometrischen Formen schwerelos zu schweben scheinen.

Zugleich ist Weiß für Malewitsch ein mystischer Farbton, den er als reine Erregung schildert. Dieses Weiß findet in zahlreichen Schriften zur Suprematie Erwähnung.b Auf der Suche nach einer neuen Seinsgrundlage des Menschen sah er in der weißen Suprematie die höchste Vollendung der Gegenstandslosigkeit und verknüpfte sie mit idealistischem Gedankengut zum radikalen Entwurf einer zukünftigen Gesellschaft. Auch für Wassily Kandinsky markierten weiße Flächen einen  Möglichkeitsraum. Das Weiß „ist ein Schweigen, welches nicht tot ist, sondern voller Möglichkeiten“ heißt es in seiner Farbsymbolik „Über das Geistige in der Kunst“ (1911).

Piet Mondrian folgte Theo van Doesburgs Gegenüberstellung von Schwarz, Grau und Weiß als negative Farben und den positiven Primärfarben Rot, Gelb und Blau. In der Negation, verbunden mit dem Aspekt der Absenz, erhält die Nichtfarbe Weiß in seinen Gemälden ein besonderes Gewicht. Zunächst wird die weiße Fläche als Kontinuum verwendet, später dann von schwarzen Linien begrenzt. Im Wechselspiel von Beruhigung und Aktivierung des Bildgrundes wirkt sie unmittelbar auf den Betrachter. Der Beginn des 20. Jahrhunderts ist von bahnbrechenden Entdeckungen in der Physik bestimmt wie etwa der Relativitätstheorie oder der Quantenphysik.

Auf jeweils unterschiedliche Weise setzen sich die drei Künstler mit Erkenntnissen der Naturwissenschaften auseinander und entwickeln ihre spezifische Weltsicht. Indem sie theosophisches Gedankengut und moderne Physik verknüpfen, stellen sie die traditionelle Vorstellung von Raum und Zeit in Frage und suchen innerhalb des Bildraums einen Weg zu einer weiteren Dimension. Im Laboratorium, seinem Ursprung nach der naturwissenschaftlichen Erkenntnisfindung verschrieben,  fanden die Künstler den Ort einer neuen Form künstlerischen Schaffens. Um die verschiedenen Facetten des Weiß im Werk der drei Künstler sichtbar werden zu lassen, wird die Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen den Ansatz künstlerisch naturwissenschaftlicher Analyseverfahren in der Ausstellungssituation konkret aufgreifen und in insgesamt vier Laboratorien zentrale historische Diskurse zu Theosophie und Naturwissenschaft sowie zu Farbe, Film und Architektur auffächern.

In einer von unbedingtem Fortschrittsoptimismus geprägten Zeit ist den drei Avantgardepositionen Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian ein zentrales Moment gemein: Der von einem klaren, gesellschaftsutopischen Anliegen motivierte Blick in die Zukunft. Diese Anliegen darzulegen, gleichzeitig nicht im Historischen zu verharren, sondern dies für alle drei Künstler relevante Thema des Utopischen aus dem Heute heraus mit Blick auf das Morgen zu erfassen, soll der Anspruch der Ausstellung sein. In Anlehnung an die künstlerischen Konzepte der drei erarbeitet der Künstler Olafur Eliasson gemeinsam mit der Kunstsammlung darüber hinaus einen Raum für eine Resensibilisierung der Menschen, welcher die Besucher in überraschender Weise auf die Ausstellung vorbereitet und sie dauerhaft für die komplexen Wahrnehmungs- und Materialqualitäten des Weiß sensibilisiert.