Beuys, Joseph
1921 – 1986

1921 geboren in Krefeld
1941 Abitur am Gymnasium Kleve
1941−1945 Kriegsdienst als Sturzkampfflieger
1945−1946 Kriegsgefangenschaft
1946−1951 Studium der Bildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie, Düsseldorf, bei Joseph Enseling und Ewald Mataré
1953 erste Einzelausstellung im Haus der Brüder van der Grinten in Kranenburg
1954 Atelier in Düsseldorf, ab 1958 in Kleve
1961 Berufung an den Lehrstuhl für monumentale Bildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie, Düsseldorf
1964 Teilnahme an der „documenta 3“, Kassel
1967 Gründung der Deutschen Studentenpartei als Metapartei, Staatliche Kunstakademie, Düsseldorf; erste umfassende Präsentation des Werkes in der Ausstellung „Parallelprozeß 1“, Städtisches Museum, Mönchengladbach
1968 Teilnahme an der „documenta 4“, Kassel
1971 Gründung der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung (freie Volksinitiative e.V.), Düsseldorf; Besetzung des Sekretariats der Staatlichen Kunstakademie, Düsseldorf
1972 Teilnahme an der „documenta 5“ mit dem „Informationsbüro der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“; Kündigung als Professor der Staatlichen Kunstakademie, Düsseldorf, durch den Wissenschaftsminister
1974 Gründung der Freien Hochschule in Düsseldorf, gemeinsam mit Heinrich Böll
1976 Teilnahme an der „37. Biennale“, Venedig
1977 Teilnahme an der „documenta 6“; Gründung der Freien internationalen Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung
1978 die Kündigung von Beuys als Professor der Staatlichen Kunstakademie, Düsseldorf, wird vom Bundesarbeitsgericht für rechtswidrig erklärt
1979 Teilnahme an der „15. Biennale“ in São Paulo; Retrospektive im Solomon R. Guggenheim Museum, New York
1980 Kandidatur für Die Grünen bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen; Teilnahme an der „39. Biennale“, Venedig
1982 Teilnahme an der „documenta 7“ mit der Sozialen Plastik „7000 Eichen“
1986 Verleihung des Wilhelm-Lehmbruck-Preises der Stadt Duisburg; am 23. Januar stirbt Joseph Beuys in Düsseldorf

Auswahl

Capri-Batterie, 1985

Glasvitrine, Messing, gelbe Glühbirne, Lampenfassung, Zitrone
131 x 82 x 45 cm


Joseph Beuys, Capri Batterie, 1985 © VG Bild-Kunst, Foto: Walter Klein, Düsseldorf

Das erklärte Ziel von Joseph Beuys, der wortgewandt, streitbar und leidenschaftlich seine Ideen vertrat, war, das Ich und damit die Gesellschaft neu zu formen. In der Vitrine „Capri-Batterie“ manifestieren sich einmal mehr seine Überlegungen zur Zukunft des Menschen innerhalb eines von Natur und Technik beherrschten Kraftfeldes. 

Das kleine, leuchtend gelbe Objekt, die Koppelung einer Zitrone mit einer Glühbirne, wurde der Prototyp eines Multiples. Der makellose Leuchtkörper und die runzelige Frucht, Technik und Natur gehen eine überraschende Verbindung ein. Im Titel spielt Beuys auf die Italiensehnsucht der Deutschen an und verweist mit dem Wort „Batterie“ zugleich auf einen anderen Themenkomplex: Zwischen dem sonnengereiften, safthaltigen Fleisch der Frucht und dem Vakuum des Glaskörpers entwickelt sich potentiell ein Austausch, das Speichern von Energie. Die Zitrone könnte die für das Funktionieren einer Batterie notwendige Säure produzieren, sodass Stromerzeugung grundsätzlich möglich wäre.

fat up to this level I, 1972

Zinkplatten und Eisenstange, Fettspuren, Bleistift
je ca. 135 x 135 cm (Zinkplatten), Länge 403 cm (Eisenstange)


Erworben 2003

Erworben durch die Freunde der Kunstsammlung im Jahr 2003, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Walter Klein, Düsseldorf

Mit geradezu minimalistischer Klarheit stellt Joseph Beuys in fat up to this level I Fragen nach der Nutzung von Energie. Eine durchgehende horizontale Bleistiftlinie auf der Oberfläche der Zinkplatten gibt die potentielle Füllhöhe des Fetts an, das unsichtbar als Energie zwischen den Platten eingeschlossen ist. Aufgrund seiner leicht wechselnden Aggregatzustände ist diese Substanz besonders geeignet, ein Energiepotential anschaulich zu machen. Die fragile Platzierung der Eisenstange suggeriert schwebende Leichtigkeit, die in hartem Kontrast zu der physischen Schwere des Materials steht. Das Objekt wurde von den Freunden 2003 für die Kunstsammlung erworben.

Intelligenz der Hasen, 1960

Ölfarbe (Braunkreuz) auf leichtem Werkdruckpapier, linker Rand unregelmäßig geschnitten
39,7 x 132 cm


© VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Walter Klein, Düsseldorf

Zeichnend fixierte Joseph Beuys immer wieder Denkprozesse oder versuchte, neue Zusammenhänge zwischen Kunst und Leben, zwischen Natur und Technik, zwischen Mensch und Tier, zwischen seiner Zeit und der Vergangenheit darzulegen. 

Neben Bleistift und Ölfarbe (Braunkreuz) fanden dabei verschiedene Materialien und Substanzen Verwendung. Vertikale Trennungslinien, lange Bodenwellen, inhaltlich unbestimmte Zeichen beherrschen das Blatt „Intelligenz der Hasen“. Bestärkt durch den Titel, glaubt man in zwei länglichen Formen Hasenohren zu erkennen. Der Hase war für Beuys ein besonderes Tier, das als Bewohner der Steppe Bewegung von Osten nach Westen und damit das positive Einwirken des asiatischen Kulturkreises auf den westlichen symbolisierte. Immer wieder stellte Beuys einen Zusammenhang zu vergessenen Vorstellungen und Praktiken her. Nicht aber die reine Rückwendung interessierte ihn, sondern die Nutzbarmachung des Vergangenen für die Zukunft. Darin erkannte Beuys einen Weg, die Folgen des Vorherrschens instrumenteller Vernunft (Verhärtung und Entfremdung) zu bekämpfen.

Palazzo Regale, 1985

2 Vitrinen, bestückt mit Objekten, 7 Messingtafeln
je 200 x 100 cm, mit Firnis und Goldstaub überzogen, je 197,5 x 227,5 x 80 cm


© VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Walter Klein, Düsseldorf

Im Museo di Capodimonte in Neapel schuf Joseph Beuys 1985 seine letzte große Installation „Palazzo Regale“. Waren seine früheren Räume geprägt von der dunklen Farbigkeit der Materialien wie Filz oder Blei, so ist in diesem goldschimmernden „königlichen Palast“ alles ins Feierliche und Würdevolle gewandelt. 

Sieben mit Goldfirnis bestrichene Messingtafeln an den Seitenwänden streuen das Licht und funktionieren als Spiegel, in denen der Betrachter sich selbst und den Raum schemenhaft wahrnehmen kann. In den gläsernen Vitrinen sind Dinge abgelegt, die dem Raum seine Bedeutung verleihen. Diese Objekte sind teils wertlos, teils kostbar, sie entstammen dem natürlichen wie dem kulturellen Bereich. Viele sind eng verbunden mit der Biografie und der künstlerischen oder politischen Tätigkeit des Künstlers, mit seinen Projekten und Aktionen. In diesem Raum, der an fürstliche Grabmale ebenso erinnert wie an katholische Märtyrerschreine oder ägyptische Totenkammern, hat der schon schwerkranke Beuys seine unmittelbare Präsenz mit Dingen beschworen, die ihm wichtig waren. „Palazzo Regale“ erscheint als Ruhepunkt eines Wanderers zwischen Materie und Geist, ein Ort, in dem Vergangenes und Zukünftiges, Vermächtnis und Utopie in Einklang gebracht sind.