Ernst, Max
1891 – 1976
1891 geboren in Brühl bei Köln
1910−1914 Studium der Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte an der Universität Bonn; Freundschaft mit August Macke
1912 Beteiligung an den Ausstellungen „Das junge Rheinland“ in Köln und Bonn
1913 Teilnahme am „Ersten Deutschen Herbstsalon“, Galerie Der Sturm, Berlin; erste Reise nach Paris; in Bonn Begegnung mit Guillaume Apollinaire und Robert Delaunay
1914 Zusammentreffen mit Hans Arp in Köln
1914−1918 Kriegsdienst in Frankreich
1916 Ausstellung in der Galerie Der Sturm, Berlin
1919 Besuch bei Paul Klee in München, Gründung der Kölner Dada-Gruppe zusammen mit J.T. Baargeld und Hans Arp
1919−1921 Dada-Ausstellungen und Aktivitäten in Köln
1920 erste Ausstellung in Paris, Verlagshaus Au sans pareil, Paris
1921 Besuch Paul Éluards in Köln
1922 Übersiedlung nach Paris
1924 Mitbegründer der surrealistischen Bewegung in Paris, Mitarbeit an der Zeitschrift „La Révolution Surréaliste“
1938 Austritt aus der Gruppe der Surrealisten
1941 Übersiedlung nach New York
1946 lässt sich mit Dorothea Tanning in Sedona, Arizona, nieder
1951 Retrospektive in Schloss Brühl bei Köln
1953 Rückkehr nach Paris
1954 Verleihung des Großen Preises für Malerei der „27. Biennale“, Venedig
1955 Übersiedlung nach Huismes bei Chinon in der Touraine
1959 Retrospektive im Musée national d‘art moderne, Paris
1963 Übersiedlung nach Seillans in Südfrankreich
1976 stirbt Max Ernst in Paris
Auswahl
Au premier mot limpide / Beim ersten klaren Wort, 1923
Öl auf Gips, aufgetragen auf Leinwand
232 x 167 cm
Mit den Wandbildern im Haus Paul Éluards schuf Max Ernst 1923 ein künstlerisches Ensemble von absoluter Einzigartigkeit. In den wenigen Monaten, die er als Gast bei dem Dichter und seiner Frau Gala lebte, malte der Künstler nahezu alle Räume aus.
Nach dem Verkauf des Hauses geriet das Ensemble in Vergessenheit, bis schließlich Éluards Tochter Cécile 1967 ihren Erinnerungen nachging und, versteckt unter Tapeten, die fantastischen und zugleich beunruhigenden Bilder ihrer Kindheit wiederentdeckte. Aus einem geschlossenen Bild- und Raumzusammenhang gelöst und auf Leinwand gelegt, verwandelten sie sich in Tafelbilder, die Titel aus dem lyrischen Werk Éluards erhielten. Wie die großformatige „Histoire naturelle“ (Museum of Contemporary Art, Teheran) stammt „Au premier mot limpide“ aus dem Schlafzimmer der Éluards im ersten Stock des Hauses. Ein strahlend blauer Himmel, backsteinfarbene Mauern, Durchblicke, seltsame Pflanzen und fabelhafte Tiere verwandelten den Raum in einen fantastischen Garten. Zwischen überkreuzten Fingern hält eine weibliche Hand eine rote Kugel, die ihr zu entgleiten droht. Die Kugel selbst hängt an einem „seidenen“ Faden, der am Schwanz eines heuschreckenähnlichen Insektes endet. Dieses Wesen ist der Hand ausgeliefert: Denn ein Öffnen der Finger risse die Kugel und damit das Tier in die Tiefe. Mit wenigen figürlichen Motiven gab Max Ernst hier ein Rätsel auf, das kaum zu entschlüsseln ist. Wie viele seiner Bilder ist auch dieses in gewissem Sinne eine gemalte Collage, in der heterogene Elemente zu einer neuen Einheit verschmolzen sind.
Oedipe I (Ödipus I), 1934
Gips
62 x 29 x 19 cm
Erworben 1993
La femme chancelante / Die schwankende Frau, 1923
Öl auf Leinwand
130,5 x 97,5 cm
Die Möglichkeiten der Collage beschrieb Max Ernst als die „systematische Ausbeutung des zufälligen Zusammentreffens wesensfremder Realitäten“. Dieses Prinzip Collage übertrug der Künstler seit 1922 auch in die Malerei.
Hier konnte er die Motive, die er in wissenschaftlichen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts, Lehrmittelkatalogen und anderen illustrierten Publikationen fand, ohne sichtbare Schnittstellen zu rätselhaften Bildern verarbeiten. Das Bild einer Maschine, die durch Aufschütten von Öl eine stürmische See zu beruhigen vermochte, sowie das einer Artistin, die mithilfe magnetischer Schuhe an der Decke spaziert, nutzte Max Ernst als Vorlagen für seine der Zeit gemäßen Interpretation der Fortuna, des schwankenden Glücks. Eingespannt in den starren Apparat, kann die Frau ihr Gleichgewicht nicht finden. Ihre von einem Rohr verdeckten, blinden Augen werden zum Sinnbild für den auf die inneren Visionen gerichteten Blick der Surrealisten. Aber auch Max Ernsts persönliche Lebenssituation spiegelt sich hier: Zusammen mit Gala und Paul Éluard lebte der Künstler in einer Ménage-à-trois, in der Gala unentschieden zwischen Ehemann und Liebhaber schwankte.
Un ami empressé (Ein beflissener Freund), 1944
Gips
67 x 35,5 x 42,3 cm
Erworben 1993
Deux assistants / Zwei Helfer, 1967
Gips
38 x 43 x 43 cm
Dicht beieinander stehen die „Zwei Helfer“: plumpe Figuren auf kurzen, dicken Beinen, die Gesichter froschartig, die Augen dick und vorquellend, das Maul breit und schlitzartig, die Körper aus weichen, sackartigen Formen zusammengesetzt.
Sie wirken, als seien sie durch ständiges Verdichten und Komprimieren voluminöser Formen entstanden, glatt und abgeschliffen, allen überflüssigen Formenballastes beraubt. In ihrem niedlichen Charakter zeigt sich einmal mehr das Spiel, welches Max Ernst in der Skulptur suchte. Die beiden kleinen Figuren stehen jeweils auf einer runden Sockelplatte, beide Sockelplatten sind dann auf eine gemeinsame große montiert.
La carmagnole de l’amour (Die Carmagnole der Liebe), 1926
Öl und Zeichnung auf Leinwand
101 x 73,5 cm
Erworben 1999
Das Motiv sich umschlingender Körper und deren Balanceakt zwischen Brutalität und Leidenschaft, zwischen Bewegung und Verharren, zwischen Erscheinen und Verschwinden bereichert in den späten 1920er Jahren die Bildwelt des in Frankreich lebenden Rheinländers Max Ernst. Der mit wenigen Pinselstrichen gezeichnete, transparent scheinende Körper der Frau beginnt, sich in dem von einem stützenden Gerüst umfangenen Oberkörper des Mannes aufzulösen. Der unbestimmte Bildraum, die instabile Position des Paares, das gleichmäßig aufgetragene Grau des Grundes sowie die leichte Zeichnung des Frauenkörpers lassen das Bild in einem Schwebezustand verharren: zwischen Andeutung und Vollendung, zwischen Zeichnung und Malerei, zwischen Schwarzweiß und Farbe, zwischen Figur und Grund.
Das Bild wurde 1999 durch die Freunde von den Erben eines Brüsseler Farbenhändlers und Installateurs erworben, der Ende der 1930er Jahre für Magritte ein Badezimmer installiert hatte und mit diesem Max Ernst-Bild „bezahlt“ worden war. Eine handschriftliche Notiz bezeugt diesen Handel.
Un chinois égaré (Ein verirrter Chinese), 1960
Gips
76,3 x 38,4 x 21 cm
Erworben 1993
Von Zeit zu Zeit – 1934/35, 1944, 1960 – widmete sich der Maler Max Ernst intensiv dem plastischen Arbeiten. Als Bausteine seiner figürlichen, oft mehrdeutigen Objekte aus Gips nutzte er Abgüsse von Blumentöpfen, Steinen oder Werkzeugen. Manche der Figuren wurden später, manche sogleich in Bronze gegossen, wie beispielsweise Die Frau von Tours, die Ernst als Preis für die Kurzfilm-Festspiele in Tours entworfen hatte. Mit ihren matten, empfindlichen Oberflächen sind die weißen Gipse sogar anziehender als die Bronzen.
Dank der Vermittlung von Werner Spies erwarben die Freunde vier Gips-Skulpturen 1993 von Dallas Ernst, der Schwiegertochter des Künstlers.
La tourangelle (Die Frau von Tours), 1960
Gips
26,5 x 11,4 x 11,4 cm
Erworben 1993
Paysage au germe de blé, 1936
Öl auf Leinwand
130,8 x 162,6 x 3,0 cm
Oiseau-Tête, 1934-35/1956
Gips
53 x 38 x 23 cm