Klee, Paul
1879 – 1940

1879 geboren in Münchenbuchsee bei Bern
1898−1901 Mal- und Zeichenstudium in München bei Heinrich Knirr und Franz von Stuck
1901−1902 Rückkehr nach Bern; Reise nach Italien mit Hermann Haller
1905 Reise nach Paris mit Louis Moilliet und Hans Bloesch
1906 Übersiedlung nach München
1910 erste Einzelausstellung in der Schweiz
1911 Erstellung eines neuen Werkkatalogs bisheriger Arbeiten; Bekanntschaft mit Alfred Kubin und Wassily Kandinsky
1912 Beteiligung an der zweiten Ausstellung des „Blauen Reiters“, Bekanntschaft mit Franz Marc, Herwarth Walden und Karl Wolfskehl; zweite Reise nach Paris, Atelierbesuch bei Robert Delaunay
1914 Reise nach Tunesien mit August Macke und Louis Moilliet
1916−1919 Militärdienst in der deutschen Armee
1917 erste Erfolge auf dem Kunstmarkt
1919 Berufung an die Stuttgarter Akademie scheitert; nach Beteiligung an der Münchner Revolution Flucht in die Schweiz, Kontakte mit dem Dada-Kreis; Generalvertretungsvertrag mit dem Münchner Galeristen Hans Goltz
1920 Berufung an das Staatliche Bauhaus in Weimar
1921 Beginn der Lehrtätigkeit und Übersiedlung nach Weimar
1924 mit Lyonel Feininger, Alexej von Jawlensky und Wassily Kandinsky Gründung der Künstlergruppe „Die Blaue Vier“
1925 Kündigung des Vertrages mit Goltz
1926 Übersiedlung nach Dessau
1928 Reise nach Ägypten
1931 Austritt aus dem Bauhaus; Professur an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf
1933 Fristlose Entlassung in Düsseldorf; Emigration in die Schweiz
1935 erste Symptome einer schweren Krankheit
1937 Diffamierung in der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“, Beschlagnahmung von über hundert Werken in öffentlichen Sammlungen
1940 stirbt Paul Klee in Locarno-Muralto

Gezeichneter, 1935

Ölfarbe und Aquarell auf ölgrundierter Gaze, auf Karton, auf Keilrahmen genagelt
30,8x27,5 cm


Foto: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Nach der Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland Ende 1933 befand sich Paul Klee in einer wirtschaftlich und persönlich schwierigen Situation. Der Ausbruch einer unheilbaren Krankheit 1935 belastete ihn zusätzlich. Das in diesem Jahr entstandene symbolische Selbstbildnis „Gezeichneter“ besitzt über die Spiegelung des individuellen Schicksals hinaus allgemeine Gültigkeit: 

Aus kleinen, angstvollen Augen blickt ein in seinem Innersten erschütterter Mensch auf den Betrachter. Wie der Titel unterstreicht, handelt es sich bei dem Dargestellten um jemanden, der von Schicksalsschlägen gezeichnet ist. Der Kreis des Kopfes wird von mehreren runden Formen gerahmt, die von außen die Figur bedrängen. Die Oberfläche der Arbeit in dunklen Rot- und Brauntönen ist von reliefartiger Struktur, als sei sie von Narben und Schrunden überzogen. Doch ist der Titel auch ganz wörtlich zu verstehen. Mit einer auf das Wesentliche reduzierten Formensprache schafft Klee aus den geometrischen Elementen Kreis, Rechteck und Gerade ein System, das an Wege auf einer topografischen Karte erinnert.

Heroische Rosen, 1938

Öl auf Papier auf Jute, auf Keilrahmen
68 × 52 cm


Foto: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

"Heroische Rosen" gehört zu Klees Hauptwerken aus seinen letzten Schaffensjahren, die sich durch eine Reduktion der Formen, dunkle breite Linien und verschlüsselte hieroglyphenähnliche Elemente auszeichnen. Bei diesem Beispiel montierte der für seine technische Vielfalt bekannte Künstler das bemalte Papier auf Jute.

Vor allem die schrillen Farbtöne Rosa-Violett und Blau-Türkis erregen besondere Aufmerksamkeit. Die zeichenhaften Kürzel, charakteristisch für das Spätwerk, überträgt Klee in die Sphäre des Botanischen. So wie die winklig gebrochenen Linien die warmen Farbtöne einzuschnüren scheinen und sie zugleich gegen das kühle, auf Blau und Grün gestimmte Umfeld abschirmen, kann man das Werk – dem vom Künstler gewählten Titel folgend – als Metapher für den Heroismus des schöpferischen Subjekts in finsteren Zeiten, also den einsamen Helden, verstehen. Als Klee das Werk schuf, war er aufgrund der Auswirkungen der Nazi-Diktatur weitgehend vom Kunstmarkt abgeschnitten. Vergleicht man die Bildsprache mit  früheren Garten- und Pflanzendarstellungen, so wird die entschiedene Naturferne dieser Arbeit deutlich. Klee schöpft hier weder aus dem Fundus der Natur noch entfaltet sich sein Bildvokabular in Analogie zur Sprache der Natur. Stattdessen regiert fast gewaltsam die eigene Formfindung.

Kleinode, 1937

Pastell auf Baumwolle auf Jute, Umrandung mit Kleisterfarbe auf Keilrahmen
57 x 76 cm


Foto: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

„Kleinode“ gehört zu den Werken, die Klee während eines längeren Aufenthaltes im schweizerischen Ascona schuf. Durch die Verwendung von pudriger Pastellfarbe gewinnt die linear bestimmte Darstellung einen offenen leichten Charakter, der die schwere dunkle Farbigkeit auflockert.

In einer netzartigen, seriellen Struktur ist eine unregelmäßige Quadrierung in erdigen Brauntönen über das ganze Bild gelegt. Der Rhythmisierung dienen schwarze grafische Zeichen, die auch sonst Klees Spätwerk dominieren Die Komposition ist nach der metrischen Verteilung der Flächenformen, aber auch durch das Zusammenspiel der Farbwerte gewichtet. Die einheitliche Farbstimmung wird durch farbige Aussparungen in Blau, Weiß, Grün und leuchtendem Rot belebt. Sie sind in kühlen geometrischen Formen gestaltet oder bilden emotional aufgeladene Symbole wie die Mondsichel, das auf dem Kopf stehende Herz und den Stern. Durch ihre markante Positionierung wirken sie wie wertvolle Schmuckstücke – Kleinode, wie der Titel verrät. Ob Klee mit der Darstellung auch auf kosmische Vorstellungen anspielt, bleibt ungewiss. Der Künstler verweigerte stets die vollständige Entschlüsselung der Zeichen.

Rote und weiße Kuppeln, 1914 (1914.45)

Aquarell und Gouache auf Papier, auf Karton
14,6 x 13,7 cm


Foto: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Paul Klees Schaffen zeichnet sich durch einen ungeheuren Reichtum an bildnerischen Ideen aus und steht gleichwertig neben dem Œuvre seines Zeitgenossen Pablo Picasso. Nach umfangreichen Experimenten im zeichnerischen und druckgrafischen Bereich fand Klee kurz vor seiner legendären Tunisreise im April 1914 zu einer ihn befriedigenden farblichen Gestaltung, die auch in „Rote und weiße Kuppeln“ sichtbar ist.

Die an nordafrikanische Architektur erinnernde geometrische Struktur bestimmt die Komposition aus starren Formen. Sie wird von einem schachbrettartigen Muster mit auflockernden halbrunden Elementen überzogen. Das pulsierende Farbengeflecht in vielfältigen Schattierungen bringt ein lebendiges, abwechslungsreiches Geschehen hervor. Bei dieser Arbeit handelt es sich um das Teilstück eines größeren Aquarells, das der Künstler in zwei eigenständige Werke zerschnitten hatte, ein Vorgehen, das er immer wieder anwandte. Während hier die Häuser und Moscheen dominieren, erscheint auf dem Pendant ein vereinzeltes Kamel in weiter Wüstenlandschaft. Ein senkrechter Schnitt trennte die ursprünglich verbundenen Sphären und isolierte Stadt und Land voneinander. So erreichte Klee nicht nur eine Vereinheitlichung der Bildwirkung, sondern zugleich auch die Betonung der markanten Struktur der einzelnen Szenen.

Kamel (in rhythm. Baumlandschaft), 1920

Ölfarbe und Feder auf Kreidegrundierung, auf Gaze, auf Karton
48 x 42 cm


Foto: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Gerne verband Paul Klee Poetisches mit Skurrilem. Hier wachsen schlanke Stämme aus dünnen Gräben empor und tragen kugelförmige Kronen, die dem Bild einen eigenen, an eine Notenschrift erinnernden Rhythmus verleihen.

Zwei Dreiecke deuten die Höcker eines Kamels an, rechts davon sind der Kopf und zwei Stufen tiefer die Beine zu erkennen. Der Wechsel des Maßstabs, die Fragmentierung und die flächige Organisation verwandeln die Darstellung in ein Vexierbild. Bis in die kleinste koloristische Nuance hinein spürt man eine wohlüberlegte Strategie. Jeder Pinselstrich ist einem geordneten Ganzen dienstbar gemacht, das auf drei Vorgaben basiert: waagerechte Streifen, senkrechte Markierungen und Kreise. Klee illustrierte nicht, was der Titel beschreibt, sondern schuf eine Balance zwischen dem Eigenwert der Formen und Erinnerungen, die diese Formen und Farben auslösen können. Mit derart unterschwellig humorvollen Bildern wollte Klee den Betrachter von den Zwängen des Alltags entlasten.

Schwarzer Fürst (Prinz), 1927

Öl mit Tempera untermalt auf ölgrundierter Leinwand
33 x 29 cm


Foto: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Seine Tätigkeit am Staatlichen Bauhaus, der Hochschule für Gestaltung in Weimar und später in Dessau ließ Paul Klee erkennen, welchen Stellenwert die gestalterische Analyse für die künstlerische Produktion gewinnen kann. Konstruktion und Geometrie bestimmten sein Wirken in den 1920er-Jahren.

Daneben schuf er aber auch bewusst verrätselte Werke. In „Schwarzer Fürst“ ist aus einfachen geometrischen Formen eine Physiognomie entstanden, zu der der Künstler verschiedene kryptische Zeichen platzierte. Als Ausdruck der privaten Mythologie verstanden, könnte der „schwarze Fürst“ der Bewohner einer imaginären Zwischenwelt sein. Möglicherweise ist er auch ein Bild des Teufels, denn im Johannes-Evangelium wird der „Fürst dieser Welt“ mit dem Satan identifiziert. Das Bild ist auch als ein Kommentar zu Himmel und Hölle lesbar. Klee befasste sich mit den letzten Dingen des Lebens nicht im christlichen Sinn. Vielmehr hat er sein Werk mit unzähligen geheimnisvollen Rückverweisen ausgestattet, die seinem Hang zu Spott und Ironie, aber auch seiner Neigung zur Selbststilisierung zu einem spirituellen Wesen Rechnung tragen.

Dressur seltener Tiere, 1933

Fettkreide, Marke Zulu, auf Detailpapier mit Leimtupfen auf Karton; Randleiste auf dem Karton unten mit Feder/Tinte
Blatt 18,8 x 27,3 cm Karton 35,2 x 48,5 cm


Erworben 2019

Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf

Musik-Sclave, 1933

Fettkreide, Marke Zulu, auf Detailpapier mit Leimtupfen auf Karton; Randleiste auf dem Karton unten mit Feder/Tinte
Blatt 20,9 x 32,9 cm Karton 35,3 x 32,9 cm


Erworben 2019

Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf

Lob der Fruchtbarkeit, 1933

Fettkreide, Marke Zulu, auf Detailpapier mit Leimtupfen auf Karton; Randleiste auf dem Karton unten mit Feder/Tinte(?)
Blatt 20,9 x 32,9 cm Karton 35,2 x 48,6 cm


Erworben 2019

Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf

Paul Klee (1879-1940) gehört zu den bedeutendsten Künstlern der westlichen Moderne im 20. Jahrhundert. Neben Pablo Picasso ist er einer der erfindungsreichsten Vertreter der historischen Avantgarde. Als Maler, Zeichner und Bildhauer kreierte Klee einen künstlerischen Kosmos, in dem sich Tragikomik, Leichtigkeit, Ernst, Ironie, Spiel und Kalkül vereinen. Er schuf ein umfangreiches Œuvre, in dem darüber hinaus sensibel und mit scharfem analytischem Blick die Ereignisse seiner Zeit reflektiert werden.

Ab Juli 1931 war Klee nach Jahren am Bauhaus an der Düsseldorfer Staatlichen Akademie als Lehrer tätig. Die Nationalsozialisten zwangen ihn, sein Amt am 21. April 1933 aufzugeben. Die offizielle Entlassung erfolgte zum Jahresende. Der Künstler emigrierte am 23. Dezember 1933 in die Schweiz. In Deutschland wurde Klee in den Jahren der NS-Diktatur als „entarteter“ Künstler geschmäht. Viele seiner Werke beschlagnahmte man aus den Museen und zeigte einige in verunglimpfender Weise 1937/38 in der Wanderausstellung „Entartete Kunst“.

Vor dem Hintergrund dieser historischen Situation erwarb die Landesregierung im Jahr 1960 88 Werke des Künstlers aus Privatbesitz und gründete im Anschluss in Düsseldorf die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Bis zum Erwerb der 26 Zeichnungen im Jahr 2019 war der Bestand auf 101 Zeichnungen, Aquarelle und Gemälde gewachsen. Etwa ein Drittel der Arbeiten entstammt der Zeit ab der Mitte der 1930er Jahre. Das Jahr 1933 war bisher mit drei Werken vertreten: „Gedanken bei Schnee“ wie auch „Kind Ph.“ bereiten die im Spätwerk dominanten Kurvaturen vor. Das dunkelfarbige Blatt „Patientin“, das von einem unruhigen Strich geprägt ist, bildet im Bestand einen Solitär.

Die erworbenen Blätter gehören zu einem Konvolut von über 200 Zeichnungen. Dass es sich bei den durchgehend figurativen Arbeiten um eine zusammenhängende Gruppe aus der ersten Hälfte des Jahres 1933 handelt, lässt sich aus einem Bericht des Akademiekollegen Alexander Zschokke ableiten, dem Klee die Arbeiten wie auch seiner Frau Lily und Walter Kaesbach, dem Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, im Juli 1933 mit dem Kommentar zeigte, dass er die „nationalsozialistische Revolution“ gezeichnet habe. Die überwiegende Anzahl der Zeichnungen befindet sich heute im Zentrum Paul Klee in Bern. In deutschen Museen war bislang keine repräsentative Anzahl dieser Arbeiten nachzuweisen.

Alle Blätter sind technisch und stilistisch einander verwandt. Sie sind in Feder oder Blei auf Papier ausgeführt und in der für Klee typischen Art auf Karton montiert. Motivisch kann man die Zeichnungen Themen wie Kindheit, Sexualität, Mythologie oder Märchen, Geschichte, Kunst, Religion und Tod zurechnen. Mit Blick auf Klees gesamtes Œuvre zeigt sich, daß in diesen Werken eine maßgebliche stilistische Neuorientierung einsetzt. Kennzeichnend ist der unruhige und expressionistisch anmutende Strich, der im Schaffen zu keiner anderen Zeit so dominant nachzuweisen ist. Die wolkig strichelnde, manchmal suchende Kurvatur überrascht, da Klees Werke im Allgemeinen von präzisem Kalkül und bisweilen sklavisch strenger Konstruktion bestimmt sind. Vor dem Hintergrund der Vielfalt des Kleeschen Denkens wäre es jedoch zu kurz gefasst, wenn man in den Werken eine unmittelbare künstlerische Umsetzung der äußeren Bedingungen sähe. Die stilistisch ungewöhnliche Strichführung ist vielmehr als Kennzeichen des Umbruchs und wichtiger Schritt im Zusammenhang mit dem Schaffen im Spätwerk zu betrachten.

Die Deutung der Zeichnungen unterliegt den jeweiligen interpretatorischen Ansätzen. Grundsätzlich muss man festhalten, dass sich Klee in seinem Schaffen gegen eine politische Instrumentalisierung seiner Kunst verwahrte. Allein aufgrund dieser Haltung befand er sich in Opposition zur Forderung der Nationalsozialisten. Möglicherweise reagierte der Künstler mit dem unruhigen Strich stilistisch auf die, von der NS-Ideologie propagierten Ideale, die klare Konturen auszeichnete und von an der Antike orientierten Schönheitsvorstellungen geprägt war. Es mag sein, dass Klee mit diesem eigenwilligen Stil die Unruhe verarbeitete, die mit der von ihm erwähnten „nationalsozialistischen Revolution“ einherging, die aber auch sein privates Umfeld in der ersten Hälfte des Jahres 1933 bestimmte. Aufgrund der offensichtlich bewusst „unpolitischen“ Motivwahl handelt es sich jedoch nicht um eine unmittelbar bildliche Übersetzung von politischen Ereignissen. Klee bediente sich vielmehr der Flucht in Ironie und Parodie. Der Klee-Experte Josef Helfenstein verstand das Konvolut so, daß das Politische der Zeichnungen gerade in der Abwendung von allem Zeitgeschichtlichen liege.

Mit dem jetzt erfolgten Erwerb von 26 Zeichnungen wurde die Kunstsammlung zu dem einzigen Ort, an dem nachzuvollziehen ist, welchen einzigartigen stilistischen Wandel der Künstler um das Jahr 1933 vollzog. Zum anderen dokumentiert das Konvolut den historisch bedeutsamen Zeitraum, den Klee in Düsseldorf verbrachte und gibt der Kunstsammlung Gelegenheit, dem Verlust einer so bedeutenden Persönlichkeit Rechnung zu tragen.