Mondrian, Piet
1872 – 1944

1872 geboren in Amersfoort, Holland
1892 Zeichenlehrerdiplom für Höhere Schulen; entschließt sich, Maler zu werden
1892–1897 Besuch der Amsterdamer Kunstakademie
1897 erste Beteiligung an einer Ausstellung in Amsterdam
1909 Auseinandersetzung mit dem Pointillismus und dem Symbolismus
1910 Ausstellung mit der Gruppe der Luministen in Amsterdam
1911 Ende Dezember Übersiedlung nach Paris; Verbindung mit der Gruppe der Kubisten
1912–1914 stellt im „Salon des Indépendants“ in Paris aus
1913 Teilnahme am „Ersten Deutschen Herbstsalon“ in Berlin
1914–1919 Aufenthalte in Amsterdam, Domburg, Laren
1915–1916 Begegnung mit Theo van Doesburg und Bart van der Leck
1917 beteiligt an der Gründung der „Stijl“-Gruppe; im Oktober erscheint die erste Nummer der gleichnamigen Zeitschrift, an der Mondrian bis 1924 mitarbeitet
1919 Rückkehr nach Paris
1923 „de Stijl“-Ausstellung bei Léonce Rosenberg, Paris1925; Veröffentlichung von „Die Neue Gestaltung“ als Bauhaus-Buch; Mondrian zieht sich von der „Stijl“-Gruppe zurück
1930 Ausstellung mit der Gruppe „Cercle et Carré“ in Paris, zu deren Hauptmitgliedern Mondrian zählt
1931 Beitritt zur Gruppe „Abstraction-création“, Paris
1938–1940 Bekanntschaft mit Ben Nicholson und Naum Gabo in London
1940 Übersiedlung nach New York
1942 erste Einzelausstellung bei Dudensing, New York
1944 stirbt Piet Mondrian in New York

New York City I (unfinished) / New York City I (unvollendet), 1941

Öl und Papier auf Leinwand
119 x 115 cm


©2020 Mondrian/Holtzman Trust c/o HCR International Virginia, Foto: Walter Klein, Düsseldorf

Die Serie der „New York City“-Bilder aus den Jahren 1941 und 1942 wurde als eine Revolution in Mondrians strengem Gestaltkonzept angesehen. An die Stelle der radikal reduzierten Bildsprache mit der geometrischen Struktur und der Reduktion auf die Primärfarben sowie Schwarz und Weiß war ein lebendiger, dynamischer Rhythmus aus farbigen, roten, blauen und gelben Streifen getreten. Vor dem theoretischen Hintergrund, den sich der Künstler seit den 1920er Jahren erarbeitet hatte, stellen die „New York City“-Bilder und deren Weiterentwicklung in den „Boogie-Woogie“-Bildern bis 1944 die konsequente Fortsetzung des beschrittenen künstlerischen Weges dar.

Durch die Doppelung hatte Mondrian den schwarzen Linien, die zuvor die farbigen Felder trennten, ab 1932 eine der Fläche gleichberechtigte, aktive Funktion zugewiesen. Diese ‚destruktive’, die Identität der Fläche aufbrechende Eigenschaft eröffnete neue Möglichkeiten für die Gestaltung, bedeutete aber zugleich, dass durch die Repetition auch die Identität der Linie zerstört war. Fläche und Linie sind nun von gleichem Charakter, woraus sich ergibt, dass die Linie wie die Fläche farbig gestaltet werden können. Die universale, von allem Partikularen befreite Bildgestaltung hatte Mondrian unter dem Begriff des Neoplastizismus formuliert. Der von einem unerschütterlichen Fortschrittsglauben geprägte Künstler akzeptierte jedes aus seiner Sicht logische bildnerische Ergebnis, auch wenn dadurch die zuvor gefundene Gestaltung in Frage gestellt wurde. Seiner Auffassung nach ist Kunst ein unvollendbares, sich immer wieder erneuerndes Phänomen. Mit dem Einsatz von farbigen Streifen, der Äquivalenz von Linie und Fläche, gelang es dem Künstler auszudrücken, was er bisher – in Ermangelung adäquater Lösungen – durch Schwarz wiedergeben musste. Mondrians Ziel war, einen autonomen gestalterischen Rhythmus zu schaffen, ohne jegliche Eigenständigkeit von Fläche und Linie.

Die Möglichkeit, bei seinem intuitiven gestalterischen Vorgehen mit Papierstreifen zu experimentieren, hatte Mondrian nach seiner Ankunft in New York für sich entdeckt. Er ersetzte so die traditionelle Zeichnung mit Kohle, Kreide oder Bleistift und erleichterte sich die Findung der endgültigen Platzierung der farbigen Streifen durch die Klebebänder. Sie ließen sich problemlos anbringen und bedeuteten weit weniger Aufwand als das Übermalen verworfener Konstellationen in Ölfarbe. Eine Vielzahl von kleinen Löchern, die auf den Gebrauch von Reißzwecken zum Befestigen der Klebestreifen zurückgehen, geben Einblick in Mondrians Arbeitsweise.

In dem Düsseldorfer „New York City“-Bild hat Mondrian die farbigen Streifen im Wechsel über- und untereinander geführt, so dass sie wie geflochten erscheinen. Nahe dem oberen und unteren Bildrand befindet sich außerdem je ein schwarzer Horizontalstreifen. Am unteren Rand sind die horizontalen Farbstreifen so dicht gesetzt, dass sich der Eindruck einer soliden Basis ergibt. Die vertikalen Streifen sind zu den Bildrändern hin in Dreiergruppen und nahe der Mittelachse des Gemäldes in zwei Zweiergruppen platziert. Im Unterschied zu dem vollendeten Pariser „New York City“, wo die meisten senkrechten Streifen gelb sind, dominiert im Düsseldorfer Bild die Farbe Rot. Die beherrschende Farbe in der Senkrechten gleicht somit die höhere Anzahl der waagerechten Streifen aus, so dass die Komposition, die in den Abmessungen kaum höher als breit ist, ausgewogen erscheint.

„New York City I“ scheint die früheste Arbeit der Reihe zu sein. Bei den anderen „New York City“-Bildern verzichtet der Künstler auf Schwarz und konzentriert sich auf Blau, Rot und Gelb. Der Auffassung, die Eliminierung des Schwarz bedeute den Bruch mit dem bisherigen Bildkonzept, ist entgegenzuhalten, dass Mondrian mit eigenständigen farbigen Flächen, die nicht von Schwarz begrenzt wurden, bereits in Arbeiten experimentierte, die gegen Ende der dreißiger Jahre in Europa entstanden.

Das Ziel des Künstlers war es, den Unterschied zwischen Linie und Grund aufzulösen und die Darstellung als zweidimensionale Struktur erscheinen zu lassen. Diese angestrebte Wirkung kann sich bei der Betrachtung von „New York City I“ jedoch nicht einstellen, da Mondrian zur Ausführung des Werkes als Ölgemälde nicht mehr kam, sondern es nur als Klebebild hinterließ.

Rhythm in Straight Lines / Rhythmus aus geraden Linien, 1937/1942

Öl auf Leinwand
72,2 x 69,5 cm


©2020 Mondrian/Holtzmann Trust c/o HCR International Virginia, Foto: Walter Klein, Düsseldorf

Piet Mondrian konzentrierte sich in seinem künstlerischen Schaffen auf geometrische Felderstrukturen in den Primärfarben Rot, Blau und Gelb sowie auf die Nichtfarben Schwarz und Weiß. Der Künstler experimentierte mit der Reduzierung der Anzahl der schwarzen Linien, die die Felder trennten. 

Zugleich erprobte er auch die Wirkung von Mehrfachlinien wie in „Rhythmus aus geraden Linien“, die eine Dynamisierung des Bildkonzeptes zur Folge hatten. Je mehr Linien der Künstler gruppierte, desto mehr näherte er sich einer All-over-Struktur an, die den Betrachter auffordert, das Bild sukzessiv zu erfassen. Im Hinblick auf die aktive Funktion der Linien wählte Mondrian hier zum ersten Mal den Begriff „Rhythmus“. Er überarbeitete das Werk, über dessen ersten Zustand eine Fotografie aus dem Jahr 1937 Auskunft gibt, zu Beginn der 1940er-Jahre. Er veränderte die Breite der schwarzen Linien und erreichte dadurch eine Betonung der Vertikalen. Durch zusätzliche Farben erhielt die Komposition ein weiteres Spannungsmoment: Blau fügte der Künstler in die vier Felder oben links ein, wobei er diese Farbe, entsprechend ihrer zurücktretenden Wirkung, „hinter“ die schwarzen Linien setzte. Das notwendige Gegengewicht bildet am rechten Rand ein schmales Feld in intensivem Rot.