Als junger Mann ist Piet Mondrian vom Stil der sogenannten Haager Schule beeinflusst. Diese ist für naturalistische Landschaften in erdigen Farben bekannt. Die eher konservativen Darstellungen gelten damals als Inbegriff der holländischen Landschaftsmalerei.
Mondrian malt häufig das kleine Flüsschen Gein bei Amsterdam und interessiert sich für die Spiegelungen im Wasser. In manchen Bildern rückt er den Horizont sehr weit nach oben, so dass er viel Platz hat, um die Beziehung zwischen Motiv, Fläche und Raum zu erkunden.
Das früheste Bild in der Ausstellung zeigt eine Frau mit Spindel vor einem Tisch. Interessant ist der Bereich hinter der Frau, wo weiße Kacheln zu sehen sind. Manche meinen, in diesen Kacheln schon ein Gestaltungselement zu erahnen, was viele Jahre später kennzeichnend für Mondrians neoplastische Arbeiten wird.
1908
1911
1908 — 1911
Dünen, Meer und Türme
Mondrian hält sich ab 1908 immer wieder im Seebad Domburg auf der Halbinsel Walcheren auf. Das dortige Licht fasziniert ihn. Er malt die Dünen, das Meer, den Domburger Kirchturm und den Leuchtturm von Westkapelle. Seine Arbeiten entfernen sich Stück für Stück von einer realistischen Darstellung der Natur.
Mondrian ist deutlich beeinflusst von den französischen Avantgarde-Bewegungen wie dem (Post-)Impressionismus und dem Fauvismus. Er setzt die Pinselstriche sichtbar nebeneinander und die Farben weichen von der Farbe ab, die der Gegenstand in der Wirklichkeit hat.
Gut lässt sich das an der „Mühle bei Sonnenschein“ erkennen, die flammend rot vor einem strahlend blau-gelben Himmel steht. Das Bild ist für Zeitgenoss*innen so befremdlich, das es während einer Ausstellung im Amsterdamer Stedelijk Museum einen Skandal verursacht. Wer so male, müsse doch wahnsinnig sein, meint ein Kritiker.
1911
1914
1911 — 1914
Zunehmende Abstraktion
Ab 1911 hält sich Mondrian in Paris auf, wo er in Kontakt mit der Stilrichtung des Kubismus kommt – einer Stilrichtung bei der der Bildgegenstand in geometrische Formen zergliedert wird. Zentrale Vertreter des Kubismus sind Pablo Picasso und Georges Braque, deren Werken er 1911 zum ersten Mal begegnet. Im Kubismus von Picasso und Braque sind die Motive noch teilweise zu erkennen. Mondrians Ziel ist die vollständige Abstraktion vom Gegenstand.
An drei Bildern von Bäumen lässt sich der Weg der Abstraktion bei Mondrian gut nachvollziehen. „Der rote Baum“ von 1908/1910 ist noch recht realistisch dargestellt. Nur die starken Farben entsprechen nicht der Natur. In „Baum“ von 1912 dominieren die waagrechten und senkrechten Linien, das Motiv ist jedoch deutlich auszumachen.
In „Der blühende Apfelbaum“ von 1912 ist der Baum nur noch bei genauerem Hinsehen erkennbar. Nicht mehr die Zweige, sondern die Flächen dazwischen gewinnen an Bedeutung. Diesen Weg geht er in den folgenden zwei Jahren weiter, nur noch in Ansätzen lassen sich die ursprünglichen Motive erahnen.
1914
1920
1914 — 1920
De Stijl Weitere Reduktion von Farbe und Form
Um 1916/1917 – parallel zur Gründung der Gruppe „De Stijl“ – kehrt Mondrian für Auftragsarbeiten noch einmal zu einer naturalistischeren Wiedergabe von typisch holländischen Motiven zurück. Die Windmühle oder auch der stattliche Bauernhof Weltevreden, den er um 1905 bereits gemalt hat, werden von ihm zu unterschiedlichen Tageszeiten in Szene gesetzt. Es interessiert ihn vor allem das Sehexperiment, was zu den verblüffenden Spiegeleffekten im Wasser rund um den Bauernhof führt. Es ist nicht mehr eindeutig zu sagen, wo oben und unten in diesen Werken ist.
Mondrians Hauptaugenmerk liegt in diesen Jahren aber ganz deutlich auf der Abstraktion. Im Sinn von „De Stijl“ reduziert sich Mondrian in seinen Bildern auf einfarbige Flächen. Die Linien, die bald in rechten Winkeln zueinander stehen, entwickeln sich aus den Zwischenräumen dieser Farbflächen. Die Linie erlangt immer mehr Präsenz in seinen Werken.
Seine Rasterbilder wirken geometrisch und konstruiert. Tatsächlich ist Mondrians Arbeiten aber durch einen experimentellen Prozess bestimmt. Die „Komposition mit grauen Linien“ aus dem Jahr 1918 stellt er nach dem Malen auf die Spitze, erst jetzt ist das Werk für ihn vollendet.
1920
1944
1920 — 1944
Die Neue Gestaltung
Ab 1920 folgt Mondrian konsequent seiner Neuen Gestaltung. Die ersten Werke, die er nach dem neuen Prinzip fertigstellt, beinhalten Flächen in den drei Grundfarben sowie graue, hellblaue oder orangefarbene Farbflächen. In den folgenden Jahren reduziert er die Farbgebung immer weiter, weiße Flächen kommen hinzu.
Mondrian hört keineswegs mit dem Experimentieren auf. So interessiert ihn ab 1928 die quadratische Leinwand als Ausgangsform für die Komposition oder auch der Einfluss der doppelten schwarzen Linie auf das Gesamtgefüge.
Mondrian plant die Bilder nicht im Voraus, sondern entwickelt die Kompositionen suchend auf der Leinwand. Er arbeitet jeweils so lange daran, bis die einzelnen Bildelemente für ihn in harmonischem Gleichgewicht zueinander stehen. Dafür verändert und übermalt er die Kompositionen immer und immer wieder.