Der italienische Künstler Alberto Burri (1915–1995) zählt mit seinen Arbeiten aus industriellen Materialien wie Eisen, Jute oder Plastik zu den einflussreichsten, in Deutschland jedoch weniger bekannten Positionen der Nachkriegszeit. Die Retrospektive „Alberto Burri. Das Trauma der Malerei“ entstand in Kooperation mit der Solomon R. Guggenheim Foundation in New York anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers.
1966 erwarb die Kunstsammlung Nordrhein- Westfalen bereits ein Sacco von Burri. Sie zählt damit zu den wenigen Sammlungen in Deutschland im Besitz seiner Werke – ein Grund mehr, Alberto Burri nun umfassend zu würdigen. Als erste Museumsausstellung in Deutschland nach fast 20 Jahren, lädt die Präsentation zur Neuentdeckung seines Werks ein.
Geboren im umbrischen Città di Castello, studiert Alberto Burri Medizin und praktiziert anschließend als Militärarzt im Zweiten Weltkrieg. 1943 wird seine Einheit in Tunesien gefangen genommen und Burri kommt in ein Gefangenenlager in Hereford, Texas, wo er mit der Malerei beginnt. Nach seiner Rückkehr nach Italien 1946 gibt Alberto Burri die Medizin auf, um ausschließlich als Künstler tätig zu sein – eine Entscheidung, die maßgeblich von seinen unmittelbaren Eindrücken im Krieg und der Niederlage Italiens beeinflusst ist. Burri übersetzt seine Erfahrungen in eine kraftvolle Bildsprache, die die Substanz des traditionellen Tafelbildes zerstört und grundlegend neu definiert. Er tauscht Ölfarbe und Leinwand gegen unorthodoxe Materialien und künstlerische Techniken, mit denen er die Bildoberfläche in den Raum hinein erweitert. In Serien, die er nach den jeweiligen Materialien oder Verfahren benennt, untersucht Alberto Burri die Möglichkeiten dieser neuen Malerei. Er montiert seine Gemälde aus altem Sackleinen zusammen (Sacchi), schafft Reliefs aus angebranntem Holzfurnier (Legni) und geschweißten Stahlplatten (Ferri) oder lässt Plastikfolie durch Einsatz des Bunsenbrenners schmelzen (Combustioni plastiche).
Zu erleben ist das Werk eines hochgradig individualistischen Künstlers, der bereits früh große Erfolge im internationalen Kunstgeschehen feierte, aber seine eigene Stiftung bewusst abseits der Kunstzentren in seiner Heimatstadt Città di Castello gründete. Während man sonst regelrecht zu Burris Arbeiten pilgern muss, bietet sich nun in Düsseldorf die Gelegenheit, Alberto Burris Œuvre in seiner ganzen Breite zu erfahren. Neben der retrospektiven Einzelausstellung mit etwa 70 Leihgaben aus europäischen und amerikanischen Museen und Privatsammlungen werden in einer ergänzenden Präsentation innerhalb des Museums Werke der Materialkunst aus den Beständen der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen gezeigt.
Im Dialog mit Arbeiten von Lucio Fontana, Robert Rauschenberg oder Jannis Kounellis manifestiert sich Alberto Burris zentrale Position für die abstrakte Kunst der Nachkriegszeit und sein nachhaltiger Einfluss auf folgende Kunstströmungen. Auch vor dem Hintergrund des verstärkten Interesses an Materialfragen in der zeitgenössischen Kunst erfährt Burris Werk eine erstaunliche Aktualität. Dieser lässt sich in einigen Künstlerräumen im K21 nachspüren.