Die britische Künstlerin Gillian Wearing (*1963 in Birmingham, lebt und arbeitet in London) erkundet in ihrem Werk das Verhältnis von Öffentlichem und Privatem, Fiktion und Realität sowie die Beziehung zwischen Künstler und Betrachter. Die performativen Fotografien und Filme der Turner Prize Gewinnerin von 1997 basieren auf persönlichen Bekenntnissen, privaten Fantasien und Traumata. Darstellerische Techniken, die vom Theater, vom Film und vom Fernsehen entlehnt sind, kommen zum Einsatz. Um Darsteller für ihre Arbeiten zu finden, gibt Gillian Wearing häufig Anzeigen auf. Unterschiedliche Masken und Verkleidungen gewähren den Schutz der Persönlichkeit.
Wearing richtet die Kamera aber auch auf sich selbst. In ihren Selbstporträts zeigt sie sich als ihre Mutter, ihr Vater oder Bruder. Mit einer Reihe von jüngsten Arbeiten hat Wearing ein besonderes Familienalbum geschaffen. Indem sie sich als Diane Arbus, Robert Mapplethorpe, Andy Warhol, Claude Cahun sowie August Sander präsentiert, verwandelt sie sich ihre künstlerischen Vorbilder an. Wearing hinterfragt ihre eigenen Vorstellungen von Identität ebenso, wie die der anderen. „Wir alle spielen Theater”, der deutsche Titel eines Klassikers der Rollensoziologie (Erving Goffman), markiert – vor dem Hintergrund von Reality TV und Web 2.0 – eine herausragende Position der Gegenwartskunst, deren komplexes und berührendes Werk mit dieser großen Einzelausstellung erstmals im deutschsprachigen Raum vorgestellt wird. Der Überblick reicht von Wearings ikonischem Frühwerk „Signs that Say What You Want Them to Say and Not Signs that Say What Someone Else Wants You to Say” (1992–93) bis zu ihrer jüngsten Videoarbeit „Bully” (2010). In dem mit der Künstlerin erarbeiteten Ausstellungsparcours sind Videoarbeiten (mit deutscher Untertitelung), Fotografien, Skulpturen und, erstmals außerhalb von Großbritannien, die raumgreifende Installation „Family History” (2006) zu sehen.