Picasso, Pablo

Tête d’homme, 1971

Bleistift auf Karton
22 x 15,5 cm


Erworben 2019

© VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf

1971, im Jahr der Entstehung der Zeichnung „Tête d’homme (I)“, ist Picasso 90 Jahre alt und weiterhin überaus produktiv. Im Zeitraum zwischen 1970 bis zu seinem Tod 1973 fertigte er über 1000 Zeichnungen. Sie sind Zeugnis des fortdauernden Schaffens des bedeutenden Künstlers. In diesem Zeitraum wendet sich Picasso vermehrt erotischen Darstellungen zu. Neben jungen weiblichen Akten und Porträts von Jaqueline Roque beschäftigt er sich auch mit von Männlichkeit aufgeladenen Figuren aus Büchern und dem aufkommenden Fernsehen, das er ab 1966 in seinem Haus empfängt.

Picassos Begeisterung für das neue Medium spiegelt sich in seinen Zeichnungen wieder, die Eindrücke aus Spielfilmen zeigen. Die männlichen Figuren, die auch eine Auseinandersetzung mit dem Alter andeuten, wechseln zwischen Darstellungen von Malern, Harlequins, Musikern, Matadoren, Pierrots oder Musketieren. Immer wieder werden die Protagonisten in den Zeichnungen aufgegriffen und treten auch innerhalb einzelner Blätter in Interaktion miteinander. Die Bleistift-Zeichnung auf Karton „Tête d’homme (I)“ bildet einen Musketier ab, ein Motiv, das Picasso in Anlehnung an eines seiner liebsten Bücher „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas, entwarf. In kräftigen, eiligen Linien gibt sie im Bruststück einen Mann mittleren Alters in der Frontalansicht wieder. Er trägt eine Perücke, Schnurrbart sowie einen spitzenbesetzten Hemdkragen im Stil der französischen Hoftradition des 17. Jahrhunderts. Insgesamt existieren drei Varianten von „Tête d’homme“, die alle am 24. Oktober 1971 entstanden. Die mit fester und entschlossener Stiftführung entworfene Zeichnung ist detailreicher in der Gestaltung und durch die eindrücklichen, klar gekennzeichneten Augen deutlich dramatischer im Ausdruck als die anderen Bilder der Gruppe. Die Figur des Musketiers tritt in verschiedenen Variationen in Ölgemälden aber auch in weiteren Zeichnungen bis zu Picassos Tod auf. Durch die unterschiedlichen Möglichkeiten die Picasso für seine Figuren entwirft, nehmen die Zeichnungen und Picassos Spätwerk im Allgemeinen verstärkt erzählerische Züge an. Das wiederholte Auftreten der vom TV-Gerät geprägten Figuren in den Zeichnungen bildet eine assoziative Kette und reiht sich als eine endlose, vom neuen Bildmedium gestaltete Erzählung aneinander.

In einer Zeit, in der die Minimal-Art und Konzeptkunst den Kunstdiskurs bestimmte, bleiben die Zeichnungen aus dem Spätwerk Picassos der 1960er und frühen 1970er Jahre eindrücklich subjektiven und expressiven Malereidiskursen verhaftet. Picasso zeigt sich, entsprechend der herausragenden Position, die er innerhalb der Kunstgeschichte einnimmt, allen Moden gegenüber widerstandsfähig.