Gleichheit im gesellschaftlichen Kontext umfasst unterschiedliche Aspekte: soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, Religionen und Kulturen, Akzeptanz von Diversität. In Bezug auf die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und die Weiterentwicklung des Bestandes im Bereich der frühen Moderne ist der Begriff „Gleichheit“ vor allem als Ziel im Hinblick auf die Präsentation von Künstlerinnen zu verstehen, die auch in dieser Zeit schon eine wichtige Rolle gespielt haben. 1962 hat Werner Schmalenbach (1920 – 2010) das erste Werk für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen erworben: das Gemälde „Le métro aérien“ (1955) der portugiesischen Malerin Helena Vieira da Silva (1908 – 1992). Bis in die Neunzigerjahre blieben sie und Lee Bontecou (*1931), deren Skulptur von 1959/60 „Untitled“ 1971 als Schenkung dazu kam, die einzigen Künstlerinnen im Bestand. Diese geringe Zahl ist heute erschreckend, aber viel weniger ein Beweis dafür, dass es damals keine innovativen und begabten Künstlerinnen gab, als dafür, dass Frauen aufgrund des Geschlechts von der Kunstwelt nicht so wahrgenommen wurden wie ihre männlichen Kollegen.

Seit einigen Jahren werden durch zahlreiche Ausstellungen und Erwerbungen Künstlerinnen und ihre Leistungen in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen nun gewürdigt und das starke Ungleichgewicht ansatzweise ausgeglichen. So waren seit 2017 etwa 50 Prozent der Ausstellungen Künstlerinnen gewidmet. Im Bereich der Erwerbungen wurde der Anteil von Werken von Künstlerinnen wesentlich erhöht. In der aktuellen Sammlungspräsentation sind neben Mark Rothko (1903 – 1970) Werke von Helen Frankenthaler (1928 – 2011) zu sehen. In der Nachbarschaft von Kenneth Noland (1924 – 2010) und Jackson Pollock (1912 – 1956) hängen Gemälde von Carmen Herrera (*1915), einer kubanisch-amerikanischen Malerin und Pionierin der geometrischen Abstraktion in den USA, die mit einer Retrospektive 2017 breit präsentiert wurde. Henri Matisse (1869 - 1954) begegnet Etel Adnan (*1925) und Wassily Kandinsky (1866 – 1944) Nevin Aladağ (*1972). Zu den jüngsten Neuerwerbungen gehören außerdem Werke von Lutz Bacher (?– 2019), Cao Fei (*1978), Isa Genzken (*1948) und Lygia Pape (1927 – 2004).